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Die Idee, ökologische Mindeststandards für die Kinobranche zu entwickeln, entstand aus den Erfahrungen mit dem Projekt Kino:Natürlich. Fünf Jahre lang wurden im Rahmen dieses Projektes Kinobetriebe mit Informationen zu den Themen Betriebsökologie und Klimaschutz versorgt. Doch
obwohl es großes Interesse an den auf dem Kino:Natürlich-Portal angebotenen Tools gibt, zeugen die Rückmeldungen häufig von einer Überforderung angesichts des komplexen Themas und der Fülle an möglichen Maßnahmen. Womit fangen wir an? Was ist der rote Faden? werden wir häufig gefragt. Gibt es nicht ein Rezept, das man befolgen kann? Einfach alles auf einer Seite?
Nun, es gibt das im Sinne der Nachhaltigkeit quasi perfekte Kino. Dorthin fahren Besucher*innen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Fahrrad. Wenn sie mit dem Auto kommen, parken sie auf unversiegelten Parkplätzen und laden dabei die Batterie ihres Gefährtes. Sie betreten ein perfekt gedämmtes Gebäude, das durch eine Wärmepumpe geheizt wird, die durch den Strom der Solarpanels auf dem begrünten Dach gespeist wird. Schwankungen in der Stromproduktion werden durch Batterien und den Zukauf von Ökostrom ausgeglichen. Es geht vorbei an regionalen, ökologisch produzierten, veganen Concessions, die in hocheffizient energiesparenden Wärme- oder Kühlgeräten vorgehalten werden. Diese werden, wie auch die LED-Beleuchtung, durch das TMS-System – passend zu den Vorstellungen – an- und ausgeschaltet. Kinobesucher*innen erhalten ihr Popcorn, die Nachos und Getränke in Mehrwegbechern- und schalen, die im Haus mit wassersparenden Spülmaschinen gereinigt werden. In den Toiletten werden Licht und Wasser dank Bewegungssensoren gesteuert. Die Besucher*innen betreten den Kinosaal, der durch Lüftungen mit Wärmerückgewinnung dank Sensoren wohltemperiert wird. Und der Film wird natürlich von einem energiesparenden Laserprojektor projiziert.
Es wird schnell klar, dass dieses Rezept nicht für alle Betriebe geeignet ist. Es gibt tatsächlich Kinos, die schon sehr nah an dieses Ideal herankommen. Für die meisten jedoch sind viele der Maßnahmen schwer oder sogar unerreichbar. So haben Kinos in einem Mietobjekt oft keinen oder zumindest wenig Einfluss auf die Dachfläche, die Dämmung, die Heizung und manchmal sogar den Stromanbieter. Von den benötigten finanziellen Mitteln, die für die Umsetzung dieser langen Liste nötig wären, ganz zu schweigen. Es wäre also eher ein ökologischer Maximalstandard als ein Mindeststandard.
Doch was müssen sie überhaupt leisten, diese ökologischen Mindeststandards? Diese „ÖMiKs“? Sie sollen tatsächlich Orientierung bieten – sozusagen ein Fahrplan für Nachhaltigkeit in Kinos. Und sie haben das Potenzial, durch die Vereinfachung Kinos zu motivieren, diese so wichtigen Themen anzugehen. Damit ist die Hoffnung verbunden, möglichst viele Betriebe davon zu überzeugen, sich auf unser Projekt einzulassen. Denn verpflichtend sind die ökologischen Mindeststandards nicht. Sie können es auch nicht sein. Die Standards sind ein Angebot, einen Beitrag dazu zu leisten, die Erfüllung der Klimaschutzziele zu erreichen. Es geht um das Schonen von Ressourcen und die Verringerung von Umweltbelastungen. Damit verbunden sind, über den ethischen Anspruch hinaus, häufig erhebliche finanziellen Einsparungen.
All dies können die Standards nur erreichen, wenn sie aus der gesamten Kinobranche kommen. Deshalb sind die gemeinsamen Anstrengungen der drei Verbände, die AG Kino – Gilde, der BkF und der HDF KINO, die Grundvoraussetzungen für ein Gelingen. Dank der Unterstützung der BKM können wir uns in den nächsten Monaten zusammen mit Vertreter*innen aus Kinobetrieben mit der Frage beschäftigen, was die Kinos Deutschlands zu dem notwendigen Transformationsprozess beitragen können. Aber diese Förderung ist nicht nur eine Chance. Sie ist ein klarer Auftrag der BKM.
Um dabei berücksichtigen zu können, wie man den unterschiedlichen Interessen und Möglichkeiten gerecht werden kann, haben wir uns sehr genau angesehen, was andere Branchen und Initiativen in Sachen Mindeststandards entschieden haben. Dazu gehören die Fördervoraussetzung von Green Motion genauso wie das Österreichische Umweltzeichen und die Mindeststandards des Deutschen Museumsbundes.
Besonders letztere sind den Kinos sehr ähnlich. Kinos, Museen und auch Theater sind bezogen auf die Umweltbelastungen fast identisch. In allen Dreien geht es um die Verbräuche von Beleuchtung, Heizung und Lüftung – also um das Thema Energiesparen. Das betrifft sowohl den Strom- als auch den Wärmeenergieverbrauch. Deshalb ist dies auch ein zentrales Handlungsfeld für die zukünftigen Mindeststandards.
Für Kinos hat im Unterschied zu den benachbarten Branchen das Thema Concessions eine ganz besondere Bedeutung. Die sind aus mehreren Gründen häufig problematisch: Sie sind zum einen eine wichtige Einnahmequelle für Kinos mit, wie bei Popcorn, hohen Margen. Zum Anderen belasten sie die Umwelt mit tausenden Tonnen Abfall jedes Jahr durch Einwegverpackungen und Einwegbecher. Die angebotenen Snacks und Drinks sind meist weder regional noch Produkte mit reduzierten Auswirkungen auf die Umwelt. Zu diesem Themenkomplex, dem Handlungsfeld „Nachhaltiger Konsum“, gehört auch die Vermeidung von Nahrungsmittelverschwendung.
Es scheint zunächst einmal nur schwer vorstellbar, dass unsere Mindeststandards in diesen Bereichen mehr sein können als eine Handvoll Einzelmaßnahmen. Der Vergleich mit den Standards anderer Branche zeigt jedoch, dass es einen Weg gibt, ganz unterschiedlichen Betrieben mit einem ökologischen Mindeststandard gerecht zu werden: Mit den Mitteln eines Prozessmanagements kann eine stetige Weiterentwicklung hin zu mehr Nachhaltigkeit angestoßen werden. Das Messen von Energieverbräuchen oder Abfallmengen werden da zur Grundlage für eine Planung, die eine Reduzierung innerhalb eines festen Zeitraums anstrebt. So könnte man beispielsweise planen, mit einem Mehrwegsystem und veränderten Verpackungen innerhalb von zwei Jahren 50 % des Abfalls einzusparen. Oder, mit einer Reihe von Energiesparmaßnahmen innerhalb von einem Jahr den Energieverbrauch um 30 % zu senken. Eine erneute Messung zeigt, ob das Ziel erreicht oder eine Nachjustierung notwendig ist. Die Vorteile liegen auf der Hand. Jeder Betrieb kann, der eigenen Ausgangssituation und den eigenen Mitteln entsprechend, nachhaltiger werden. Und es leistet noch etwas: die Messbarkeit des eigenen Erfolges. Ein zusätzliches Bio-Produkt an der Concessions-Theke kann das nicht.